ERSTE
SAGE (bezieht sich auf die dargestellten Szenen auf den
Obelisken in der Burgkapelle)
Als
der hünenhafte Ritter Haym im Dienste des Kaisers gegen die Türken
zu Felde zog, geriet er in Ungarn – da sein Pferd stürzte – in
Gefangenschaft. Erst nach langer Zeit erfuhr seine Gattin davon
durch einen Pilger, und in ihrem liebevollen Herzen reifte ein für
damalige Verhältnisse verwegener Plan.
Sie
beabsichtigte nämlich, als fahrender Sänger verkleidet, nach
Konstantinopel an den Hof des Sultans zu ziehen, um durch ihr
wundervolles Harfenspiel und ihre entzückende Stimme die Befreiung
ihres Gatten zu erwirken, der dort als Sklave gehalten wurde. Nach
langer, an Gefahren reicher Reise, erreichte sie ihr Ziel, wo sie
auch tatsächlich im Palast des türkischen Kaisers einlass fand.
Der
kunstsinnige Sultan war von dem hinreißenden Lied von „Treue
und Minne“ und dem klangvollen Saitenspiel so begeistert, dass er
dem Sänger eine Bitte gewährte. Dieser flehte aber statt um Gut
und Geld nur um die Freigabe eines Sklaven nach seiner Wahl. Der
Sultan, überrascht von der Anhänglichkeit des (vermeintlichen)
Dieners an seinen Herrn, setzte Haym wirklich in Freiheit. Und der
so Gerettete eilte seiner Heimat zu, wo ihn sein
bereits vorher zurückgekehrtes, geliebtes Ehegespons sehnsüchtig
erwartete.
Bei
der Wiedersehenfeier im prächtigen Herrensaal des Schlosses
Reichenstein (heute der sogenannte „Rittersaal“)
sprach der Ritter Haym sein Leid darüber aus, dass er seinen
Befreier nicht kenne. Da meldete man einen fremden Sänger, der beim
frohen Feste singen wollte. Er wurde eingelassen und begann im
Kreise der Edlen sein Saitenspiel, mit der er dasselbe innige Lied
von Gattenliebe und Treue begleitete, wie es damals am Hof des
Sultans zu hören war.
Da
trat Haym – schon beunruhigt durch das plötzliche Fehlen seiner
Frau – auf den Sänger zu und schlug dessen tief in die Stirn
gezogene Kapuze zurück, sodass die hochgesteckten blonden Locken
auf die Schultern fielen. Vor dem überglücklichen Recken stand der
Erlöser aus dem elenden Sklavenjoch – sein treues Weib.
ZWEITE SAGE: Wie Christoph
Haym ermordet wurde. (Nach Lorenz Hirsch - Pregarten)
Nach
seinen Kriegsfahrten begann Haym die alte, kleine Burg Reichenstein
zu einem prächtigen Renaisannceschloss umzubauen. Die
Grundsteinlegung wurde mit großer Feierlichkeit begangen. Tags
darauf vermisste der Bauer GAISRUCKER sein einziges Kind, ein zweijähriges
Knäblein. Da alles Suchen nach dem Buben erfolglos blieb, ließ
sich der Vater Gaisrucker von dem Wahne hinreißen, der Ritter habe
das Kind in der Burg lebendig einmauern lassen, um diese nach
damaliger Anschauung unüberwindlich zu machen. Gaisrucker sann
daher auf blutige Rache. Als Haym am 6.Juni 1571 vom Zwieselmeierhof
heim ritt, lauerte ihm der Bauer am Hofberg (heute
Gmeinerberg) auf und schoss ihm 3 Kugeln aus dem Hinterhalt in die
Brust.
Als
Mörder beschuldigte man fälschlicherweise den immer schon gegen
seinen Herrn aufsässig gewesenen Reitknecht. Wie unbegründet aber
Gaisruckers Verdacht war, erwies sich bald. Beim Kornschneiden fand
man nämlich im Feld die blutigen Überreste des Kindes, das
wahrscheinlich von einem Raubtier angefallen worden war. Gaisrucker,
auf dessen Ergreifung – ob tot oder lebendig – ein Kopfpreis
wegen der Anstiftung zur Rebellion gegen die Herrschaft ausgesetzt
war, musste sich vor den Häschern versteckt halten. Er siechte
aber, von Gewissenbissen geplagt, langsam dahin, und kurz vor seinem
Tode gestand er auf dem Sterbebett den Mord an Ritter Haym. Der
unschuldige Reitknecht wurde daraufhin von der Haft befreit und
durch eine größere Summe Geldes entschädigt. Nach anderen
Berichten soll er sieben Jahre unter Foltern qualvoll in
verschiedenen Gefängnissen geschmachtet haben und schon sechs Tage
nach seiner Entlassung gestorben sein.
Aber
auch hier gibt es viele Versionen. Beachtlich ist für den
Heimatforscher, dass in jeder Version der Sagen ein Körnchen
geschichtlicher Wahrheit steckt.
Schon
1727 wurde die Sage von
der Ermordung Hayms in der Pfarrchronik der Pfarre Wartberg durch
den Pfarrer Millechner angeführt.
Im
Linzer Museal-Blatt, der Zeitschrift für Geschichte, Kunst, Natur
und Technologie Österreich`s ob der Enns und Salzburg`s veröffentlichte
sie der Dechant zu Wartberg Johann Weingartner in der
Ausgabe Nr. 5 vom 15.März 1840 folgend:
„Christoph von Haim,
Herr zu Reichenstein“
Herr
Christoph von Haim, ein guter Familienvater, ein tapferer Krieger,
gerecht, aber strenge auf seine Rechte haltend, und mehr gefürchtet
als geliebt, war damals eben in Erweitungsbaues seines Schlosses
begriffen, als der kleine Knabe des benachbarten Gaisrugger-Bauers
plötzlich in Verlust gerieth. Sogleich entstand in dem abergläubischen
Mann der Verdacht, der Gutsherr Ritter von Haim müsse ihm das Kind
heimlich geraubt haben, um durch Einmauerung desselben seine Burg
unbezwinglich zu machen; und, von dem unseligen Wahne verblendet,
schwor er bei sich dem vermeintlichen Mörder seines Kindes den Tod.
Einst als Herr von Haim abends von seinem Maierhofe in Greisingberg
nach Hause ritt, lauerte ihm Gaisrugger eine Viertelstunde außer
Reichenstein im dichten Walde auf und schoss dem Vorüberreitenden
drei Kugeln in die Brust. – (Vor wenigen Jahren sah man noch an
der Stelle zwei fast überwachsene Steinstufen von einer kleinen
Kapelle, die zum Andenken dieses Unglückes von der Witwe Haim`s
errichtet worden seyn.) – Dennoch hatte der rüstige Mann noch
Kraft genug, sein Schloss reitend zu erreichen, wo er in den Armen
der Seinigen bald darauf seinen Geist aufgab. Der Mörder blieb
unentdeckt, aber von Gewissensbissen unablässig gefoltert. Denn
sieh: die nächste Erntezeit entdeckte die Unschuld des Gutsherrn,
und die Ungerechtigkeit des Verdachtes. Man fand auf dem Felde einen
Arm und einen Fuß des vermissten Kindes, das sich im Getreide
verirrt hatte, und ohne Zweifel von einem Raubthiere war zerrissen
worden. Der Mörder siechte in der vollen Erkenntniß seiner
grundlosen Missethat reuevoll in kurzer Zeit dem Grabe zu, und
bekannte in der Erwartung seines nahen Todes aus eigenem Antrieb
sein Verbrechen.!
In
der nächsten Nummer des Musealblattes vom 30.März 1840
berichteteaber der Syndikus Anton Ritter von Spaun etwas anderes darüber:
Haim
nahm bei der Nähe des Schlossberges nur einen Jungen mit sich, der
ihm, wenn er abstiege, das Pferd halten sollte. Da kam der
Hofamtmann, Vater des Simon Gaisrugger, seinem Herrn auf dem Felde
entgegen. Haim ließ den Jungen bei den Ackersleuten warten, bis er
ihm rufen würde, und ritt, von dem Hofamtmanne begleitet, aus
unbekannter Veranlassung wieder gegen das Schloß zurück. Da stand
unter einem Gehänge, durch Laubwerk und Reisig so verdeckt, dass
absichtliche Vorbereitung vermuthet wurde – der Mörder – seine
Büchse berührte beinahe den Vorüberreitenden; da fiel ein Schuß,
und durchbohrte die Brust des Ritters mit 3 Kugeln. Seine Angehörigen
sahen ihn mit Schrecken von den Fenstern ihrer Wohnung aus, nach dem
Schusse schnell thalab dem Schlosse zu reiten, eilten ihm entgegen,
hoben ihn von seinem Rosse, untersuchten die Wunden. Das stöhnte
der Getroffene: „ O Amtmann, Amtmann, wie hast du mich geführt!“
Der Amtmann kam erst später nach, was den Verdacht veranlasste: er
habe längere Zeit am Ort der That verweilt, um den Thäter zur
Flucht zu verhelfen, allein wenn derselbe, wie zu vermuthen, nicht
gleich seinem Herrn beritten war, so kann dieses Zurückbleiben
nicht befremden. Als Christoph von Haim den Amtmann ansichtig wurde,
wiederholte er ihm in`s Angesicht den Ausruf: „O Amtmann, Amtmann,
wie hast du mich geführt!“. Nach 3 Stunden, während welcher unsägliche
Schmerzen litt, verschied er nach empfangenem Hl. Abendmahle
Christi.
(Hier
finde ich besonders lustig „1 Schuss, aber 3 Kugeln)????“
Wieder anders wurde auch die Sage von der Befreiung Hayms in „Welt
und Heimat“ (Beilage zur Linzer
Tages-Post) 16.Juli 1938 von Karl Paulitsch
dargestellt, wie es auszugsweise heißt:
Es
war aber noch in der Blütezeit der Reichensteiner, als auf der Burg
ein Ritter saß, den die Sage Herrn Haim oder Haimo nennt. Und
dieser hatte ein Gemahl, Anna geheißen, die ob ihrer wundersamen
Schönheit weit und breit im Lande gerühmt ward. Auch war sie eine
Meisterin der Harfe und wem es vergönnt war, Gesang und Spiel der
holden Fraue zu lauschen, hielt solch ein Stündchen als einen
Vorgeschmack der Seligkeit. Dennoch war Frau Anna nicht glücklich
und weinte manche Nacht ihr Kissen naß, denn ihr Gemahl begegnete
ihr hart und lieblos. Er eiferte gegen sie wegen ihrer Schönheit,
die sie doch nur als ein unschuldiges Geschenk des Himmels trug, und
er zürnte ihr, weil ihrem Bunde der Segen leiblicher Erben versagt
blieb.
Als
im Lande ein Ruf an die Ritter der Christenheit erging, gegen die
ungläubigen Heiden zu Felde zu ziehen und das Heilige Land ihren
blutigen Händen zu entreißen, griff auch Herr Haimo zu Schwert und
Schild, nahm von seinem Gemahle kurzen Abschied und zog ins
Morgenland. Er tat dies aber nicht aus Eifer um den heiligen
Glauben, sondern um Frau Anna zu kränken, da er wohl wusste, dass
sie darob viel Sorge und Betrübnis haben würde. Und also widerfuhr
es ihm fast verdientermaßen, dass ihn auf diesem Zuge sein guter
Stern verließ und er in die Gefangenschaft der Ungläubigen geriet.
Der Sultan von Jaffa hielt ihn in harter Haft, ließ ihn schwere
Sklavendienste tun, und als der Ritter ihm ein Lösegeld antrug,
setzte sein Zwingherr dieses so hoch an, dass die ganze Herrschaft
Reichenstein nicht ausgereicht hätte, Herrn Haimo aus der
Gefangenschaft zu lösen. Und so währte diese bereits Jahr, ohne
dass ihm eine Hoffnung auf Befreiung winkte.
Indes
lebt Frau Anna in der Burg ein stilles, trauriges Leben. Sie liebte
ihren Gemahl, so wenig dieser ihre Liebe auch verdient hatte und härmte
sich in der Sorge um sein ungewisses Schicksal ab. Denn jahrelang
war keine Kunde von ihm in ihr stilles Waldtal gekommen und die
geliebte Harfe lag mit zersprungenen Saiten in einem Winkel der
Frauenkemenate. Endlich vermeldete ein fahrender Sänger, der das
Land von Burg zu Burg durchzog, wie es der Fahrenden Sitte war, dass
Herr Haimo zu Jaffa in harter Gefangenschaft schmachte.
Viele
Monde später brachte ein Schiff Pilgrime an den Strand des Heiligen
Landes, darunter einen jungen, goldlockigen Franken, der die Harfe
als ein Meister zu spielen verstand. Als der Sultan von der Ankunft
dieses Jünglings vernahm, entbot er ihn unter Zusicherung reichen
Lohnes an seinen Hof und hieß ihn , vor den versammelten
Dienstmannen seine Spielmannskunst erweisen.
Der
junge Franke griff in die Saiten und sang ein Lied von Liebe und
Treue der Frauen seines Landes. Und er spielte und sang mit solcher
Süße, dass selbst der Ungläubigen harte Herzen davon erweichten.
„Erbitte dir eine Gnade, wunderbarer Spielmann“, sprach der
Sultan, als der Sänger geendet hatte, „und was du forderst, sei
dir gewährt“. Da bat der Jüngling, der Sultan möge seine
Christensklaven rufen, und wen er sich von diesen erwähle, dem möge
dann die Freiheit winken.
Da
kamen die Unglücklichen aus ihren Kerkern, ein langer Zug von
jungen und alten Männern; solche, die ihre Ketten noch aufrechten
Leibes trugen, und andere, denen der Gram und ihr hartes Los
vorzeitig das Haar gebleicht und den Rücken gekrümmt hatten. Und
unter den letzteren ersah der Spielmann auch den Ritter Haim von
Reichenstein.
„Diesen
da“ , sagte der junge Harfner und wies auf ihn, „
erbitte ich mir, o Herr, als meinen Lohn.“ Da sank Herr
Haim in Dankbarkeit und Freude vor dem fremden Jüngling auf die
Knie, und der Sultan gewährte die Bitte, nicht ohne Verwunderung über
des Jünglings Bescheidenheit und entließ die beiden mit reichen
Geschenken.
Im
Hafen aber trennten sie sich von einander und der Ritter begab sich
sogleich auf ein Schiff und traf nach vielen Wochen wohlbehalten in
seiner Burg Reichenstein ein, wo er alsbald seine Nachbarn und
Freunde zu sich entbot, um mit ihnen seine wunderbare Errettung und
glückliche Heimkehr zu feiern.
Während
das Schloß in Lichterglanz und Festfreude erstrahlte, vermeldete
der Pförtner, dass ein fremder Pilger, eine Harfe in den Händen,
vor dem Tore stehe und um Einlaß bitte. „Sollte es mein Erretter
sein?“ rief Haimo aus und befahl, ihn hereinzuführen. Und in der
Tat, es war der fränkische Jüngling von Jaffa. Herr Haimo aber hieß
ihn hochwillkommen. „Verbleibet nun“, so sprach er, „viel
lieber Freund, und teilet unsere Freude. Legt Mantel und Pilgerkappe
ab.“
Und
da der fremde Pilger dieses tat, stand vor dem Ritter – seine
Frau, Anna von Reichenstein. Da sank Herr Haim zum anderen Mal ihr
zu Füßen und hielt sie fürder als wie den leibhaften Schutzengel
seines Lebens.
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